„Wir tragen Verantwortung“

14. September 2021: Film von Milo Rau im Rahmen der Fairen Woche 2021 geht den Anwesenden unter die Haut
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Es war keine leichte Kost am Freitag im Kulturforum in Oberalteich: Die Steuerungsgruppe Fairtrade des Landkreises hatte zum Film „Das neue Evangelium“ geladen.

Der Film zeigte in dokumentarischer Weise die Ausbeutung der in der Tomatenernte auf süditalienischen Feldern tätigen afrikanischen Migranten. Der Autor, Milo Rau, ein vielfach ausgezeichneter Schweizer Theaterregisseur, hat diese Zusammenhänge in seinem Film mit der Passionsgeschichte nach Matthäus kombiniert. Das Evangelium wird von diesen nahezu versklavten Erntehelfern nachgespielt. Jesus und seine Apostel sind afrikanische Migranten. Der Schauplatz des Films ist die süditalienische Stadt Matera, die wegen ihres archaischen Erscheinungsbildes schon den Hintergrund für die Evangeliumsfilme von Pierre Paolo Pasolini und Mel Gibson abgab.

Die oft ohne Aufenthaltsstatus in Italien lebenden Menschen werden in einem besonderen System für die Obst- und insbesondere für die Tomatenernte eingesetzt: Sogenannte „Caporalatos“ kassieren Pauschalbeträge für die Erntearbeiten, sie heuern Arbeitskräfte an, setzen sie auf den Plantagen ein und zahlen nur Minilöhne, die noch dazu ständig durch Zahlungen für Wasser und Zeltunterkünfte der Arbeitskräfte reduziert werden. Auf diese Weise kommen einerseits große Profite für die Organisatoren und billige Preise für die Konsumentinnen und Konsumenten in Europa zustande. Die Arbeitskräfte sind die Verlierer. Schonungslos wird dies im Film offenbart, der daher wahrlich keine leichte Kost darstellte.

Im Zusammenhang mit diesem Filmprojekt steht der Aufbau des nach den Grundsätzen des fairen Handels wirtschaftenden Unternehmens „No Cap“. Der Protagonist des Films und Jesusdarsteller Yvan Sagnet ist gleichzeitig der Gründer dieses ökonomischen Projektes. Die Firma „No Cap“ hat das Ziel, fair erzeugte und fair gehandelte Tomatenprodukte auf den europäischen Markt zu bringen.

Sebastian Moder vom gleichnamigen Edeka-Markt in Bogen-Furth und Mitglied der Steuerungsgruppe hat es in kurzer Zeit auch geschafft, das gesamte No-Cap-Sortiment in seinem Markt anzubieten und lud im Rahmen des Films auch zu einer Verköstigung.

„Die Prinzipien des Fairen Handels zeigen, wie es anders geht. Die Faire Woche öffnet uns die Augen für Ursache und Wirkung von Ausbeutung – und für wirksame Gegenmittel. Denn unser persönliches Handeln wirkt global. Wir tragen also Verantwortung“, zitierte Steuerungsgruppen-Sprecher Bernhard Suttner eingangs der Veranstaltung Bundesminister Müller. Besonders freute sich Suttner, „dass fair gehandelte Bio-Tomatenprodukte, ohne mafiöse Strukturen erzeugt, ab sofort auch in unserem Landkreis erhältlich sind.“

Auch Stellvertretende Landrätin Rosi Deser wies auf die Bedeutung und die Möglichkeiten jedes einzelnen hin, für Nachhaltigkeit zu sorgen.

Die Filmvorführung war eingebettet in die Veranstaltungen zur Faire Woche 2021, die bundesweit unter dem Motto „Menschenwürdige Arbeitsbedingungen: Zukunft fair gestalten – #fairhandeln für Menschenrechte weltweit“ steht.

Als weitere Veranstaltung fand am Montag im Foyer des Landratsamts ein von Maria Birkeneder und Beate Frank organisierter Verkauf von Fairtrade-Waren statt, der bei Beschäftigten und Besuchern erneut großen Anklang fand.

Weiter geht es im Landkreis am Freitag bei der Lidl-Filiale in Bogen. Auszubildende werden dort das Thema „Zukunft fair gestalten“ beleuchten.

Foto: Steuerungsgruppen-Sprecher Bernhard Suttner, Stellvertretende Landrätin Rosi Deser, Steuerungsgruppen-Sprecherin Anita Karl, Koordinator Klaus Achatz und Steuerungsgruppen-Mitglied Sebastian Moder (von links) mit den Produkten von „No Cap“ in der Filmpause.