Lange Tage, keine Wochenenden und außergewöhnliche Belastung

08. April 2020: Wie das Gesundheitsamt mit der derzeitigen Situation umgeht und warum man dort für das lange Warten auf Testergebnisse oder Bescheide nichts kann
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Die Tage sind lang, die Nächte kurz – und freie Wochenenden oder freie Tage gibt es schon mehrere Wochen nicht mehr. Die Corona-Thematik sorgt gerade an der Basis vor Ort für besondere Herausforderungen. Mittendrin: Das Gesundheitsamt – zuständig für die Stadt Straubing und den Landkreis Straubing-Bogen.

Unvorbereitet traf die Thematik auch das gemeinsame Gesundheitsamt von Stadt und Landkreis nicht. Nachdem die Pandemie Deutschland so richtig erreicht hatte, war klar, dass auch die Region nicht verschont bleiben würde. Doch wie soll man mit den vorhandenen Ressourcen einen wochenlangen Katastrophenfall problemlos abarbeiten? 2,6 Arztstellen  und knapp sechs Stellen medizinisches Personal sind am Gesundheitsamt Straubing/Straubing-Bogen derzeit besetzt. Hinzu kommen natürlich noch Verwaltungspersonal und Sozialpädagoginnen. Was schon in normalen Zeiten eine knappe Besetzung ist, wird aktuell zu einem Ritt auf der Rasierklinge. Durchgehend ist das Gesundheitsamt derzeit besetzt – und das an sieben Tagen die Woche zum Teil von 6.30 Uhr bis 22 Uhr. Die drei Ärzte haben 24-stündigen Bereitschaftsdienst – täglich, seit nunmehr mittlerweile acht Wochen. Und wie auch beim Materialnachschub gilt: Hilf dir selbst. Denn von der in München angekündigten kurzfristigen Aufstockung der Gesundheitsämter vor allem mit medizinischen Laien ist noch nicht viel angekommen. Immerhin zwei Medizinstudenten hat man von der Regierung von Niederbayern zugewiesen bekommen. „Das hilft schon mal“, sagt Dr. Beate Biermaier, Leiterin des Gesundheitsamtes Straubing/Straubing-Bogen, „denn vor allem fehlen Personen mit medizinischen Kenntnissen“. Darüber hinaus hat man es über persönliche Kontakte geschafft, nicht mehr in der Praxis oder in Teilzeit tätige Ärzte der Region auf ehrenamtlicher Basis gewinnen zu können. Auch Unterstützung durch Verwaltungspersonal des Landratsamtes hat das Gesundheitsamt erhalten.

„Alle verfügbaren Mitarbeiter sind eingebunden“, betont Dr. Beate Biermaier. Das ist auch dringend nötig, denn der Arbeitsaufwand für das ohne Verstärkung kleine, aber sehr motivierte Team lässt sich alleine schon an einer Zahl ablesen: Derzeit gibt es in Stadt und Landkreis aktuell gleichzeitig fast 400 Infizierte und fast 1000 enge Kontaktpersonen der Kategorie I. Die müssen nicht nur informiert und  es muss Quarantäne angeordnet werden, sondern deren Rückmeldungen während der mindestens 14-tägigen Quarantäne laufen alle im Gesundheitsamt auf. Das ist aber beileibe nicht die einzige Aufgabe, sondern nur eine von vielen. Sämtliche positiv getesteten Personen müssen möglichst zeitnah persönlich kontaktiert und über das weitere Verhalten informiert werden. Und die zu verständigenden Personen müssen erst einmal gefunden werden. Zwar sollte bei der nach dem Infektionsschutzgesetz vorgeschriebenen Meldung der Infizierten und bei der Liste der Kontaktpersonen, die jeder Covid-19-Erkrankte erstellt, auch deren Erreichbarkeit angegeben sein. Nicht selten ist aber nur ein Name bekannt – gelegentlich ohne Adresse und immer wieder ohne Telefonnummer. Dann sind schon fast detektivische Fähigkeiten gefragt.

Alleine das sprengt eigentlich schon fast den Rahmen des Machbaren. Täglich laufen aber auch noch unzählige weitere Anrufe oder schriftliche Anfragen auf – von Ärzten, Kliniken und Heimen, von Privatpersonen, von Unternehmen, auch als Weiterleitung vom Bürgertelefon, wenn es um fachspezifische Medizinfragen geht – und nicht zuletzt von der Presse, die regelmäßig informiert werden will. Die Fachfragen, für die die Zuständigkeit nicht eindeutig klar ist, beantwortet bzw. verteilt der Facharzt für Psychiatrie und Öffentliches Gesundheitswesen, Ernest Fischmann, ein ruhender Pol in der  teilweise herrschenden Hektik, an die unterschiedlichen Ansprechpartner des Gesundheitsamtes. Zudem ändern sich auch ständig die Vorgaben des RKI und der Ministerien. „Wir mussten durch diese veränderte Situation auch erst einmal neue Strukturen und Abläufe bei uns schaffen und sind auch immer noch dabei“, erklärt Dr. Biermaier. Strukturen mussten auch an der Teststation von Stadt und Landkreis am Hagen in Straubing geschaffen werden. Zwar sind dort viele Helfer von unterschiedlichsten Organisationen im Einsatz – die Organisation, Etablierung und Instruktion wurde aber zunächst einmal federführend durch Dr. Thomas Lang vom Gesundheitsamt übernommen.

Da ist es alles andere als hilfreich, wenn Probleme auftauchen, die der Situation geschuldet sind, für die aber niemand vor Ort etwas kann. Denn zeitweise dauerten die Laborergebnisse von Tests teilweise sogar über eine Woche. Die Folge: Verärgerte Getestete. Und der Ärger steigt dann noch: Denn nach der telefonischen Information ist rechtlich eine schriftliche Quarantäneanordnung für die Infizierten und ihre engen Kontaktpersonen nötig. Daran anliegend ein sogenanntes Quarantänetagebuch. Bis das dann aber nach der in der Regel mündlichen Anordnung auf dem Postweg eintrifft, ist immer wieder die Quarantäne schon so gut wie abgelaufen. Das Unverständnis wird nun, mit zunehmender Belastung der Bevölkerung durch die aktuelle Situation, mehr und mehr an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Gesundheitsamt ausgelassen – auch von Kontaktpersonen, die durch die Verzögerungen dann eben entsprechend auch noch später erst Bescheid bekommen. „Wir tun, was wir können. Alle arbeiten am Anschlag und darüber hinaus. Und das seit Wochen und auch noch auf nicht absehbare Zeit. Aber wir können für die teilweise lange Dauer der Testergebnisse und gewisse Vorgaben nichts“, bittet die Leiterin des Gesundheitsamtes in der aktuellen Situation um Verständnis. Umgestellt wurde bereits das Quarantäne-Tagebuch. Dies ist jetzt online möglich. „Wir reagieren so flexibel und schnell als möglich auf veränderte Situationen“, sagt Dr. Beate Biermaier. „Aber wir bitten einfach auch um Verständnis, wenn in dieser speziellen Lage, die noch nie jemand erlebt hat und für die es keine Blaupausen gibt, nicht immer alles nach Wunsch läuft.“

Es sind eben besondere Tage – und dies gilt ganz besonders für den dritten Stock im Landratsamtsgebäude, wo das Gesundheitsamt untergebracht ist. Es sind die Frauen und Männer, die mit so vielen anderen in dieser Zeit in vorderster Linie an der Basis und vor Ort tätig sind und quasi Tag und Nacht an der Eindämmung der Pandemie arbeiten. „Von unseren originären Aufgaben wie amtsärztlichen Begutachtungen und Heimbesichtigungen bleibt derzeit Vieles auf der Strecke. Aber das gibt es ja auch noch“, betont Dr. Biermaier.

Die Tage werden also lang bleiben und die freien Wochenenden ausfallen – für alle Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter im Gesundheitsamt. Aber immerhin: „Die kollegiale Hilfsbereitschaft von allen Seiten und die gute Zusammenarbeit im Gesundheitsamt und mit allen beteiligten Stellen, die man in einer solchen Situation erlebt“, das sei auch eine positive Seite an dem Ganzen, sagt Dr. Beate Biermaier. Und das ist eine Erfahrung, die auch die Zeit, wenn hoffentlich irgendwann alles vorbei ist, überdauern wird.