Nach dem Gesundheitsamt schlägt auch der Ärztliche Leiter Krankenhauskoordinierung angesichts der Corona-Situation in der Region Alarm
Das Gesundheitsamt Straubing-Bogen machte bereits am Wochenanfang deutlich, dass die aktuellen Corona-Zahlen auch in der Region trotz deutlicher Warnwerte „in der Öffentlichkeit eher unterschätzt als realistisch eingeschätzt werden.“ Und nun schlägt auch Christian Ernst, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst, Alarm: „Es stehen auf den Normalstationen der Krankenhäuser deutlich weniger Betten zur Verfügung als am Jahresanfang.“
Und von beiden Seiten wird deutlich gemacht: „Die Signale, die aus der großen Politik kommen, sind absolut kontraproduktiv. Es muss jedem klar sein, dass Lockerungen, Aufhebungen der Maßnahmen, große Menschenmassen und auf engstem Raum feiernde Menschen ohne Masken unweigerlich zu einem Anstieg der Zahlen mit entsprechenden Folgen führen.“
Was das bedeutet, wird bereits heute auf den Normalstationen der Krankenhäuser in der Region deutlich. Das Nadelöhr sind nicht mehr die Intensivstationen. Das Geschehen hat sich nun auf die Normalstationen verlagert – und dort ist das Personal nun an der Belastungsgrenze. „Wir haben einen Höchststand an Krankmeldungen und hohe Personalausfälle, denn die steigenden Inzidenzzahlen schlagen sich natürlich auch beim Personal nieder. So können aktuell nur 3/4 der Normalstationsbetten belegt werden“, erklärt Christian Ernst. Zwar sind nicht alle corona-positiven Patienten auf den Normalstationen schwer erkrankt und 50 Prozent davon sind quasi symptomlos wegen anderer Beschwerden im Krankenhaus. Allerdings: Auch diese Patienten müssen nach den Vorgaben des RKI auf speziellen Corona-Stationen isoliert werden und das Personal muss unter Vollschutz arbeiten. „Eine zusätzliche Belastung für die jetzt sich noch im Dienst befindlichen Pflegekräfte“, sagt Ernst.
Erste Maßnahmen mussten aufgrund der sich verschärfenden Situation auch schon getroffen werden: So wurden die Besuchsregelungen teilweise in Krankenhäusern verschärft und Christian Ernst ordnete in seiner Funktion als Ärztlicher Leiter Krankenhauskoordinierung eine erneute Einschränkung von nicht notwendigen verschiebbaren Eingriffen an. „Wir müssen Betten freihalten, um Notfälle aller Art unabhängig von Corona noch unterbringen zu können.“ Denn bereits vergangene Woche hatten sich die ersten Kliniken für Neuaufnahmen abgemeldet – nicht, weil keine Betten frei gewesen wären, sondern weil kein Personal mehr zur Verfügung steht. Die Folge: Krankenwagen mit Patienten aus Erding mussten bis nach Viechtach fahren, aus Thalmassing bis nach Straubing. „Es bleibt dann teilweise nichts übrig, als eine Akutbelegung durch den Rettungsdienst vorzunehmen, um die Leute unterzubringen. Das heißt, es steht eigentlich nicht genügend Pflegepersonal zur Verfügung für eingelieferte Notfallpatienten.“
Eine Besserung ist aktuell nicht in Sicht, im Gegenteil: Die Zahl der Neuaufnahmen in den Kliniken steigt, wichtige nichtverschiebbare Operationen sollen möglichst zeitnah durchgeführt werden, die Zahl der gesunden Pflegekräfte sinkt. Und trotz der dank Impfungen weit weniger schweren Verläufe der Corona-Fälle als noch vor einem Jahr ist die allgemeine Lage und speziell die Lage für die Krankenhäuser und Pflegekräfte weit dramatischer als es die öffentlichen Diskussionen und Maßnahmen suggerieren. „Und das muss den Menschen draußen schon klar werden, vor welchen Herausforderungen wir stehen“, sagt Christian Ernst. „Es muss sich deshalb niemand plötzlich wieder einsperren, aber wir brauchen Augenmaß und Rücksichtnahme und das Bewusstsein, dass Corona nicht verschwunden ist.“