"Wenn es Anfragen gibt, sind wir gerüstet"
Wer sich dem Haus von Birgit Bauer in Parkstetten nähert, der sieht es auf den ersten Blick: Hier stehen die Kinder im Mittelpunkt. Den Zaun zieren bunt bemalte Holzostereier, im Garten stehen Spielehäuschen und Spielgeräte, das Dreirad parkt neben dem Bobbycar. Birgit Bauer ist eine von derzeit 24 Tagespflegemüttern im Landkreis Straubing-Bogen. Fünf Mädchen und Buben betreut sie aktuell in ihren eigenen vier Wänden. Damit sie sich dort künftig auch um Kinder mit Behinderung kümmern kann, hat sie eine Zusatzqualifizierung zum Thema „inklusive Kindertagespflege“ absolviert.
160 Stunden Zeit hat sie investiert, um zu erlernen, welche besonderen Anforderungen es für die Be- treuung eines behinderten Kindes braucht und wie das erworbene Wissen umzusetzen ist. Neben Bau er haben an dem Kurs noch vier weitere Tagespflegemütter aus dem Landkreis teilgenommen, auch eine Tagesmutter aus der Stadt Straubing war dabei. Sie alle sind nun befähigt, behinderte und nicht-behinderte Kinder inklusiv, also gemeinsam in einer Gruppe, zu umsorgen.
Birgit Bauer hat es sich, wie sie sagt, „schon gut durch den Kopf gehen lassen“, ob sie die Zusatzqualifizierung erwerben soll. „Sich um ein behindertes Kind zu kümmern, und dabei die anderen nicht zu kurz kommen zu lassen, das ist schon nicht ohne ...“ Schlussendlich hat sie sich für die Weiterbildung entschieden. Auch deswegen, weil ihr das vorausgegangene Praktikum in der Inklusionsgruppe eines Kindergartens vor Augen geführt hat: „Das traue ich mir zu.“ Der nachfolgende Kurs habe sie in ihrem Entschluss dann noch bestärkt, gleichzeitig sei aber auch der Respekt vor dem neuen Aufgabenfeld gewachsen. Aber ob behindert oder nicht behindert: „Schlussendlich muss man ohnehin immer schauen, ob ein Kind in die Gruppe passt.“
Initiiert hat die Qualifizierungsmaßnahme, die im Februar und März in der Außenstelle der Gesell- schaft zur Förderung beruflicher und sozialer Integration (gfi) in Straubing stattgefunden hat, Rose- marie Höninger vom Amt für Jugend und Familie im Landratsamt in Straubing. „Wir wollten in puncto Tagespflege mit den inklusiven Angeboten der Kindergärten und Krippen gleichziehen und Betreuungsmöglichkeiten auch für Kinder mit einer körperlichen oder seelischen Beeinträchtigung anbieten“, sagt sie beim Vor-Ort-Termin bei Birgit Bauer in Parkstetten. So waren auch die Kursinhalte eng auf dieses Ziel abgestimmt. Angefangen bei der Frage, wodurch sich eine „Behinderung“ überhaupt definiert, umfasste der Kurs Themenbereiche wie „integrative Pädagogik“, „Entwicklungsförderung“ und „Kommunikation mit den Eltern“. Letzterer Punkt sei, wie Höninger erklärt, im familiären Umfeld der Kindertagespflege ohnehin von elementarer Bedeutung – „und umso wichtiger wird das Ganze, wenn es um ein behindertes Kind geht“.
Obwohl die Tagespflegemütter im Landkreis Straubing-Bogen auf selbstständiger Basis tätig sind, ar- beiten sie doch eng mit dem Amt für Jugend und Familie im Landratsamt zusammen. Von hier aus erfolgt die Vermittlung und Koordinierung der Plätze. Anfragen von Eltern eines behinderten Kindes, dieses von einer Tagesmutter betreuen zu lassen, hat es laut Rosemarie Höninger bis dato noch nicht gegeben. „Wenn es aber dazu kommt, dann haben wir jetzt das fachlich-kompetente Personal zur Verfügung.“ Und so sieht sich auch Birgit Bauer für die inklusive Kindertagespflege gerüstet. Gerade ist sie aber anderweitig beschäftigt: Zwei kleine Buben hat sie an diesem Tag bei sich, gerade sind sie mit dem Essen fertig. Reiswaffeln, Käsebrot und Wiener Würstchen. Jetzt muss aufgeräumt werden. Der eineinhalbjährige Julius zählt momentan zu Bauers jüngsten Schützlingen und ist erst seit wenigen Wochen in ihrer Gruppe. Anmerken lässt er sich das nicht. Nun steht er vor seiner Tages- mutter und streckt fordernd die Arme nach ihr aus. Er will auf den Schoß genommen werden. „Ja, man wächst bei dieser Arbeit schon ziemlich zusammen mit den Kindern ...“, sagt Bauer.
Die Parkstettenerin ist schon gespannt darauf, welche neuen Aufgaben das erweiterte Betreuungs-spektrum letztendlich mit sich bringt. Aber im Prinzip sei es doch jetzt schon so: „Das eine Kind fädelt lieber Holzperlen auf, das andere mag es, Holzbretter zu bemalen. Das an sich ist ja schon gelebte In-klusion.“
Tagespflegepersonen gesucht: Im Landkreis Straubing-Bogen werden wegen der hohen Nachfrage immer Tagesmütter (oder -väter) gesucht – momentan insbesondere in den Gemeinden Rain, Atting, Kirchroth, Steinach und Parkstetten sowie in der Stadt Bogen. Interessierte können sich an die Tagespflege-Vermittlungsstelle im Amt für Jugend und Familie im Landratsamt Straubing-Bogen wenden. Ansprechpartnerin ist die Sozialpädagogin Rosemarie Höninger, Telefon: 09421/973-308, E-Mail: hoeninger@landkreis-straubing-bogen.de
Artikel mit freundlicher Genehmigung des Straubinger Tagblatts